Verbrennungsöfen für Konzentrationslager

Im Umfeld unserer Möckernkiez-Genossenschaft lebten in früheren Zeiten nicht nur namhafte Persönlichkeiten, an die erinnert werden sollte. Auch historisch bedeutsame Orte sind hier zu finden, zum Beispiel in der Schöneberger Dennewitzstraße.

Die Dennewitzstraße am Gleisdreieckpark ist nicht weit vom Möckernkiez entfernt. Viele moderne Wohnhäuser sind dort zu sehen. Die Hausnummer 35 würde man in diesem Ensemble allerdings vergeblich suchen – die Gebäude mit den Nummern 35 und 36 wurden Anfang der 70er Jahre im Zuge von Sanierungsarbeiten abgerissen. Dabei sollte sich genau dort eigentlich ein Erinnerungsort für NS-Verbrechen befinden, denn hier war über Jahrzehnte die H. Kori GmbH zu Hause.

Diese baute Öfen für die Verbrennung der Leichen in Konzentrationslagern und Vernichtungsstätten der Nationalsozialisten: Ravensbrück, Stutthof, Bergen-Belsen, Sachsenhausen, Majdanek, Flossenbürg, Mauthausen, Dachau … Die Firma rüstete auch vier der sechs Tötungsanstalten aus für die sogenannte Aktion T4 (Tiergarten 4 – dort befindet sich heute eine Gedenkstätte): Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen und geistigen Behinderungen wurden mit Kohlenmonoxid vergiftet. Ihre Leichen wurden direkt in den Anstalten verbrannt.

Ob es sich unter der Adresse Dennewitzstraße 35 um den Verwaltungssitz der Firma, das Planungsbüro oder die Produktionsstätte für Öfen handelt, ist nicht eindeutig festzustellen, denn es existiert kein Firmenarchiv mehr. Fest steht allerdings, dass die Inhaber der Firma nach 1945 nicht für ihre Mitarbeit an NS-Verbrechen zur Verantwortung gezogen wurden. Bis 1976 war die Kori GmbH noch tätig, bis 2012 war sie im Handelsregister eingetragen.

Gegründet wurde die Firma in Berlin 1887 von Heinrich Kori, der sie Anfang der 1920er Jahre in eine GmbH verwandelte und vor allem Familienmitglieder als Gesellschafter einbezog. Zunächst entwickelte die Firma Heizungsanlagen; schon bald baute sie Verbrennungsöfen für alle möglichen Abfälle, z. B. Hausmüll oder Tierkadaver. In einem undatierten Werbesprospekt bot die Firma an: „Alles Unreine und Wertlose wird am besten und billigsten gleich am Entstehungsort verbrannt.“ Ein Neffe des Firmengründers dürfte als SS-Mitglied den Kontakt zu staatlichen Instanzen hergestellt haben. Die Aufträge zur Unterstützung des Massenmords entwickelten sich im Laufe der Jahre zu einem wichtigen Geschäftsfeld des Unternehmens mit seinen 30 bis 40 Mitarbeitern. Für die Installation fuhren Mitarbeiter in die Lager. Die Arbeiten dort mussten von Häftlingen erbracht werden.

Für die Historikerin Susanne Zielinski ist unstrittig, dass allen in der Firma bewusst war, um welche Art Arbeit es in dem Unternehmen ging: „Dass Monteure der Firma vor Ort mit Hilfe von Gefangenen aus den Lagern die Kori’schen Öfen installierten und von der SS auch vorab Firmenmitarbeiter angefordert wurden, die die Orte der Bauprojekte besichtigen sollten, lässt keinen Zweifel daran, dass alle beteiligten Personen wussten, worum es hier ging: die systematische Ermordung von Menschen und die spurlose Beseitigung ihrer Leichname.“ Für sie steht fest, dass der erste systematische Massenmord im Nationalsozialismus, die Tötung von Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung oder psychischer Beeinträchtigung, ohne die Bereitschaft der Firmen Kori GmbH und „Topf & Söhne“ (Erfurt), Leichenverbrennungsöfen in Tötungsanstalten zu liefern, nicht hätte organisiert werden können. Das Personal, das in den Tötungsanstalten sein „Handwerk“ der massenhaften Leichenentsorgung gelernt hatte, wurde später oft befördert und durfte sein „Fachwissen“ in die großen Vernichtungslager im Osten einbringen.

Ein Nachkomme des Firmengründers Heinrich Kori ist laut Historikerin Annegret Schüle zu keiner Auskunft in der Angelegenheit bereit. Die Schöneberger Bezirksverordnetenversammlung beschloss 2019 auf Initiative der Grünen, dass in der Dennewitzstraße wenigstens eine Mahntafel angebracht werden sollte, um an die Rolle des Unternehmens in der Nazizeit zu erinnern.

Die Ofenbau-Firmen Kori und „Topf & Söhne“ waren schon vor der NS-Zeit Konkurrenten beim Geschäft mit Bestattungsöfen für städtische Krematorien gewesen, aber ab 1939 wetteiferten ihre Ingenieure darum, ihre speziell für die Opfer der „Euthanasie“ und der Lager entwickelten Öfen an die „T4“-Zentrale und an die SS zu verkaufen.

Immerhin wurde in Erfurt der Erinnerungsort „Topf & Söhne“ – Die Ofenbauer von Auschwitz“ geschaffen, wo über die Verwicklung der Firma in NS-Geschäfte aufgeklärt wird und themenbezogene Ausstellungen und Seminare stattfinden. 1942 hatte einer ihrer Ingenieure ohne jeden Auftrag einen vierstöckigen Massen-Verbrennungsofen entworfen. Wie in einer riesigen Müllverbrennungsanlage sollten die Leichen wie am Fließband hineingeschoben werden und auf Schrägrosten herabrutschen. Es sei ihm bewusst, schrieb der Ingenieur an die Geschäftsleitung, „dass ein solcher Ofen als reine Vernichtungsvorrichtung anzusehen ist, dass also die Begriffe Pietät, Aschetrennung sowie jegliche Gefühlsmomente vollständig ausgeschaltet werden müssen“.

(Die beschlossene Gedenktafel in der Dennewitzstraße wurde bis zum heutigen Tage nicht angebracht. Das Büro des Bezirksbürgermeisters teilt auf Anfrage mit, dass der Auftrag für die Herstellung der Tafel bereits erteilt worden sei. Mit einer Enthüllung rechne man im ersten Quartal 2026. Die AG „Erinnerungsort Gleis 1“ werde für diesen Anlass eine Einladung zur Teilnahme erhalten.)

Norbert Peters