Mord im Dragonerareal

Dieses Jahr nicht auf unserem Kiezplatz unter freiem Himmel, dieses Jahr nicht aus längst vergangenen Epochen von Goldoni, Shakespeare oder Molière, doch auch in diesem Herbst wieder ein Stück zum Lachen und auch Nachdenken über Fragen der Moral:

 Agatha Christies „Murder on the Orient ‚Express“ von 1934 bot dem Möcki-Ensemble, was es braucht. Genug recht gleichmäßig verteilte Rollen, Witz und Tiefe, Kostümspaß und grad noch zu verkraftende Textlängen – immerhin muss das Altersspektrum der Laien über 5 Jahrzehnte mitbedacht werden – die Stückauswahl nimmt einige Zeit gemeinsamer Versuche in Anspruch.

Katalin Sofalvi ist schließlich alles wieder gelungen, wie am Publikum bei Szenenapplaus und lauten Lachern erkennbar war.

Der „Kiezraum“ im Dragonerareal ist eine Schönheit beeindruckender Ausmaße. Die Akustik erforderte nun das Sprechen ohne Headset, was für Lautstärke und Artikulation eine Herausforderung darstellt. Theaterbesucher und Tatortzuschauer verzweifeln ja nicht selten an kaum zu verstehenden „Profis“, aber hier konnten viele klare Stimmen erstaunen. 

Unsere kiezeigene Werkstatt zauberte ein Bühnenbild, welches Katalin vorher erträumt, handwerklich mit einfachen Mitteln und sehr anschaulich als Zugabteile. Die Schauspieler konnten die Intimität eines Abteiles wie auch das Zusammentreffen aller vor dem Publikum eröffnen. Dabei kam die Authentizität einer Zugfahrt vor 90 Jahren nicht zu kurz: Nebel, Lautsprecherdurchsagen, verzweifelte Kabeltelefonate mit Sphärentönen boten sinnliche Teilnahme.

Der Rhythmus dieser Inszenierung ließ eine Pause zu, die mit Spannung in den 2.Teil überführte.

Stille und neugierige Spannung wechselten mit Charm der hochtönenden weiblichen Art und des polternden Mackertums ab. Das blutige Messer fehlte natürlich nicht als Beweisstück, was sowohl für den Mord wie auch für die „Klischee-und Klamotte“-Absicht der Aufführung gilt.

Fazit: eine gelungener Theaterabend mit allem Drum & Dran, erstaunlichen Einzelleistungen und viel Spaß mit großem Beifall. Zwei weitere Aufführungen gibt es am 11.10. und am 12.10. jeweils um 19:30 Uhr.

Abschließend sei noch an Ulrike Maisant gedacht. Sie spielte noch anfangs den Schaffner Pierre Michel bevor die tödliche Erkrankung sie uns nahm. Dank an Heike, die das Spiel rettete.

Astrid Lösche