Berliner Olympiasieger – in Theresienstadt ermordet

Im Umfeld unserer Möckernkiez-Genossenschaft lebten in früheren Zeiten namhafte Persönlichkeiten, an die erinnert werden sollte. Zu ihnen gehören Alfred und Gustav Flatow.

Auf halbem Wege zwischen den U-Bahn-Stationen Kochstraße und Spittelmarkt, in der Kreuzberger Kommandantenstraße 63, befindet sich eine Gedenktafel für Alfred und Gustav Flatow. Auch unweit des Olympiastadions, in der Straße mit dem Namen Flatowallee, wird an diese beiden Sportler erinnert. Vor den ehemaligen Wohnhäusern der Flatows und ihrer Familien in Berlin-Schöneberg und Berlin-Charlottenburg wurden 2012 Stolpersteine für sie verlegt.

Ihre größten sportlichen Erfolge errangen die beiden Cousins 1896 in Athen bei den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit, als sie im Einzel und in der Mannschaft mehrere Goldmedaillen im Turnen gewannen. Die nationalkonservative Verbandsführung der Deutschen Turnerschaft ignorierte allerdings ihre Leistungen, lehnte man doch die Teilnahme an internationalen Wettkämpfen kategorisch ab, zumal wenn es sich bei den teilnehmenden Sportlern, wie im Falle der Flatows, um Juden handelte.

Alfred Flatow, Jahrgang 1869, wurde in Danzig geboren. Im Alter von 18 Jahren siedelte er nach Berlin über und wurde Mitglied der Berliner Turnerschaft. Beim Hamburger Turnfest von 1898 gewann er den Sechskampf. Er war auch Leichtathlet und Gewichtheber. Nach seiner aktiven Karriere war er Turnlehrer und veröffentlichte mehrere Schriften über Gymnastik.

1933 wurde er vom „gleichgeschalteten“ Turnerbund nach fast fünfzigjähriger Mitgliedschaft aus seinem Verein ausgeschlossen, blieb aber trotz vieler Anfeindungen in Berlin wohnen. 1936 wurde er als Jude aus dem Olympischen Komitee verbannt. Am 3. Oktober 1942 wurde er im Alter von 73 Jahren in das KZ Theresienstadt deportiert und dort am 28. Dezember desselben Jahres ermordet. Von den 1021 deportierten Jüdinnen und Juden dieses Transports überlebten 72 (nach anderer Quelle nur 59) die Haft in Theresienstadt.

Sein Cousin Gustav Felix Flatow, geboren 1875, stammte aus Westpreußen. Neben seiner Turnkarriere nahm er auch aktiv an Radrennen teil, war Leichtathlet und besuchte häufig Boxkämpfe des jüdischen Sportvereins Maccabi. 1933 flüchtete er in die Niederlande, wo er als Kaufmann an einer Textilfirma beteiligt war.

Nach der Besetzung des Landes durch die Deutschen im Jahr 1943 musste er mit seiner Familie untertauchen. Die Flatows wurden aber verraten, sodass er wie sein Cousin Alfred nach Theresienstadt deportiert wurde. Hier verhungerte Gustav Felix Flatow 1945 kurz vor der Befreiung des Lagers. Gustavs Ehefrau Margarete wurde mit ihm im selben Transport deportiert und überlebte den Holocaust – wie auch ihr Sohn Stefan. Ihre Tochter Annie wurde im Mai 1944 ermordet.

Erst 1987 beschloss der Deutsche Turnerbund, die Flatow-Medaille zur „Mahnung und Erinnerung an die Verfolgung von Juden in der Deutschen Turnerschaft 1933 bis 1945“ zu verleihen. 1996 gab die Deutsche Post anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Olympischen Spiele eine Briefmarke zum Gedenken an Alfred und Gustav Flatow heraus.

Text und Foto: Norbert Peters