Gymmick singt Rio Reiser im Möckernkiez

Nachbetrachtung von Carlo:

Jo, das war noch mal aufregend.
Das Konzert hatte ich, nach seinem erfolgreichen Auftritt bei der Vorlesung von Jens Johler zum 75. Geburtstag von Rio Reiser bei uns, mit Gymmick Mitte Januar verabredet.
Eva Zimmermann gab mir den Termin am Sonntag, d. 31. August frei.
Geplant war ein Konzert auf dem Kiezplatz mit unserer Anlage: E-Gitarre, meine Western-Gitarre, Keyboard, 2 Mikros und ein Monitor. Ich bat Karl Bubenheimer um Hilfe, da meine Karriere als Clubchef 1977, später als Roadie 1979 und im Elternzentrum Kreuzberg als Veranstalter 1989 endete. Ich habe nur noch sehr wenig Ahnung von Bühnen-Technik.
Am 1. August traf ich mich mit Karl im Forum. Wir bauten die gesamte Anlage auf.
Und???????? – Kein Ton. Kein Pieps. Gar nichts. Auf dem Mischpult flackerten die Lichter. Aber das war es auch schon. Nach langer Zeit des Suchens fiel mir eine sehr kleine rote eingedrückte Taste auf. Es war die Mute-Taste für alle Kanäle. Einmal draufgetippt und prima: das Gitarrenriff schepperte laut durch den Saal. Wer verdammt nochmal hat vorher diesen Knopf gedrückt?!?!?!
Bei mir blieben die Zweifel, ob wir den Sound optimal hinbekommen würden. Ich engagierte den Freund meiner Tochter, Fabian vom Kommunikationszentrum Falkenhagener Feld. Der hat Kamera und Ton im 1. Beruf studiert und kennt sich aus.
Im Juni ging erstmals mein Werbeflyer raus. Karl brachte meinen Text in die Möckernkiez-Nachrichten. Wir beide bedienten mehrfach „nebenan.de“. Ich informierte meinen großen Freundes- und Bekanntenkreis. Gymmick und ich posteten auf Instagramm.
Ich lud Jürgen Enkemann vom Kreuzberger Horn und die Lokalredaktion der taz zu Interviews und zum Konzert ein.
Ich bat die AG Kultur um Unterstützung. Heidi und Marcella bauten am Sonntag die Stühle auf und später wieder ab, sammelten Spenden ein und waren Ansprechpartnerinnen während der Vorstellung.
Das Möca Team wurde über eine mögliche Großveranstaltung informiert, mit der Bitte für ausreichend Personal und gekühlte Getränke zu sorgen.
Nach dem schlechten Wetter in der Vorwoche und den verheerenden Prognosen der 16-Tage-Vorschau war ich kurz davor, Anti-Regentänze aufzuführen.
Aber am Wochenanfang änderten sich die Voraussagen und Sonntag schien die Sonne bei 25 Grad.
Ein weiteres Problem drohte vom Park mit dem ich anfangs nicht gerechnet hatte. Das Radio1 Parkfest dröhnte ab Freitag bei Soundchecks mächtig in unsere Hinterhöfe.
Ich nahm mit den Verantwortlichen Kontakt auf. Die glaubten aber nicht, dass wir uns in die Queere kommen.
Am Sonntag dann der Windbericht: Südwind, also weg von uns. Großartig – perfekt – welch ein Glück. Es konnte also losgehen.
Es ging um kurz nach 8 Uhr los. Aber völlig anders als erwartet. Meine Tochter rief verzweifelt an: wir sind krank. Magen – Darm. Wir können unmöglich kommen.
Oha!!!! Ich war sofort wacher als wach. Was nun???? Kein Tontechniker.
Nach kurzer Pause schickte ich einen Hilferuf per Mail an Holger vom Dragonerareal. Ich wagte nicht, ihn um diese Uhrzeit in Kreuzberg anzurufen.
Zu meiner Überraschung meldete er sich 2 Minuten später: ich bin dabei und hole noch ein paar wichtige Kabel und Verbindungen für die E-Gitarre aus dem Kiezraum. Klasse!!!!!
Um 14 Uhr legten wir zusammen los. Karl und Gymmick (direkt per Bahn aus Nürnberg) erschienen kurz darauf. Emsig wurden Mischpult, Boxen, Mikrofonständer etc. aufgebaut und endlos Kabel verlegt, Instrumente angeschlossen.
Und?????? Verflixt: schon wieder kein Ton. Ich kannte da ja so eine ganz kleine rote Taste.
Die war es leider nicht. Wir hatten noch eine Stunde Zeit. Zum Glück hatte ich den Aufbau eine Stunde vorverlegt. Ich zog mich zurück und überließ den Fachleuten das Feld. Nach gefühlt 30 Minuten: daaaa – es wird laut. 5 Minuten später fiel der linke Lautsprecher aus.
Das ist vor 4 Wochen bei der Country-Western-Band auch passiert. Die hatten noch ihre eigene Anlage im LKW und konnten austauschen. Das ging heute nicht.
Holger war dann auf der richtigen Fährte. Er vermutete ein defektes Kabel und hatte Ersatz dabei. Dann lief es. Holger pegelte Gesang und Instrumente ein. Ich prüfte von hinten und war zufrieden. Ehrlich gesagt, sogar sehr zufrieden.
Um 15:50 Uhr waren die Stühle mit vielleicht 20 Leuten spärlich besetzt. Hoffentlich sind die nicht alle bei dem schönen Wetter an den nächsten See gefahren.
Aber dann kamen sie in Massen. Es wurde richtig voll. Gymmick war gut gelaunt und wunderte sich über die zahlreichen Kinder, auch in der ersten Reihe.
Er begann das Konzert völlig anders als erwartet. Er erzählte, dass er in Nürnberg im Kindertheater bei dem Stück:“ Oh, wie schön ist Panama“ den Frosch spiele und er so gut sei, dass die Kinder glauben, er wäre ein Frosch. Er hat auch die Musik für das Theaterstück geschrieben und komponiert und begann folglich nicht mit Rio Reiser, sondern mit einem Kinderlied. Damit hatte er schon mal alle jungen Eltern auf seiner Seite.
Danach folgten aber Rio´s wunderschöne Balladen und Liebeslieder wie: „Über´s Meer“, Für immer und Dich“ und „Halt Dich an Deiner Liebe fest“. Spätestens bei „Mensch Meier“ und den Protestsongs wie dem „Rauchhaus-Lied“ sangen fast alle mit.
Das Publikum war genau so gut drauf wie er und er animierte sie, mit Refrains zu begleiten. Das klappte erstaunlich gut. Seine Comedy-Seite packte er unerwartet mit dem Bob Dylan Klasssiker „Knockin´on heavens door“ aus. Nur der Text lautete völlig anders:
„Nackt, nackt, nackig am Halensee“. Gymmick ist nicht nur ein großartiger Sänger. Dieses Mal kamen seine Entertainer-Qualitäten voll zur Geltung.
Das Publikum war dankbar und begeistert und entließ ihn mit stehen Ovationen nach mehreren Zugaben.
Was für ein wunderbarer Nachmittag im Möckernkiez.
Ein großer Dank geht an Karl, die AG Kultur, besonders Eva, Heidi und Marcella, das Möca Team und an Holger vom Dragoner Areal. Ohne euch wäre es nicht gelaufen.

Carlo Wahrmann